Erfahrungsbericht Auslandssemester 2013/14
University of Ottawa
Obwohl ich den Wunsch im fünften Semester ins Ausland zu gehen schon lange gehegt hatte
und ein Auslandssemester in einem englischsprachigen Land auch im Studienplan meines
Komplementärfaches vorgesehen war, kamen die Vorbereitungen hierfür eher schwerlich in
Gang. Da mir die im Rahmen von Erasmus-Kooperationen zur Auswahl stehenden britischen
Universitäten eher unattraktiv vorkamen und ich das Leben und Lernen an kleinen,
familiären Institutionen wie den beiden US-amerikanischen Kooperationen meiner
Heimatuni bereits während eines Internatsaufenthaltes zu Schulzeiten kennengelernt hatte,
entschied ich mich im Dezember 2012 eigenständig einen Austauschplatz zu organisieren.
Am liebsten in Kanada, dachte ich, denn den dortigen Indian Summer, die Landschaften und
die multikulturelle Gesellschaft, sowie den im Vergleich zu den USA etwas europäischeren
Lebensstil wollte ich schon länger kennenlernen. Zuerst hatte ich geplant, mich von einem
Münsteraner Dienstleister bei der Einfädelung des Auslandsvorhabens unterstützen zu
lassen, doch dann ergab sich spontan noch eine Möglichkeit über meine Heimatinstitution
ins Ausland zu gehen.
Das Bremer Institut für Kanada und Quebec Studien (BIKQS) schreibt jedes Semester
mehrere Studienplätze an der University of Ottawa, der Université de Montréal und der
University of Guelph aus. Diese Kooperationen ermöglichen Auslandssemester, in denen
keine Studiengebühren an den Gasthochschulen gezahlt werden müssen, Kurse relativ frei
gewählt und die weiten extracurricularen Angebote der Institutionen – finanziert durch die
horrenden Studiengebühren der Vollzeitstudenten – genutzt werden können. Die
Bewerbungsfrist um diese Plätze ist stets Ende Januar, für dieses Jahr fällt der Termin auf
den 25. 01. 2014. Sobald eine Zusage des BIKQS eingegangen ist, wird die weitere
administrative Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes über das International Office (IO) der
Heimatuniversität übernommen: Im Content-Management System Mobility Online, zu dem
sowohl die zukünftigen Austauschstudenten, als auch die Mitarbeiter des IO Zugang haben,
werden benötigte Bescheinigungen und Dokumente hochgeladen, u.a. Lebenslauf und
Sprachnachweise.
Ich habe für das vergangene Herbstsemester (Sept.- Dez. 2013) einen der beiden Plätze an
der University of Ottawa bekommen können und kann einen Auslandsaufenthalt über die
Kanäle des BIKQS nur empfehlen.
2. Formalitäten
Da eine finanzielle Förderung für Auslandsaufenthalte auerhalb des Erasmus-Programmes
selbst zu organisieren ist, hatte ich mich erfolgreich um ein PROMOS-Stipendium beworben,
das mich über den gesamten Zeitraum bei Ausgaben für Kost und Logis unterstützt hat, aber
nur knapp ein Viertel meiner gesamten Ausgaben decken konnte. (Verglichen mit den
Lebenshaltungskosten in Deutschland ist das Leben in Kanada nämlich eher teurer). Auch für
dieses vom DAAD finanzierte PROMOS-Stipendium liegt die Bewerbungsfrist recht früh im
Jahr, für den nächsten Bewilligungszeitraum im Herbst 2014 ist die Frist für den 30. 04. 2014
angesetzt. Auch die Administration des PROMOS-Stipendiums wird über Mobility Online
abgewickelt. Bei der Einreise nach Kanada müssen keine der Stipendiendokumente
mitgeführt werden, für das System ist es nur wichtig, dass alle Dokumente fristgerecht
hochgeladen werden, die Damen des International Office an der Heimatuni helfen hierbei
sicher gerne weiter.
Was besonders für die Einreise nach Kanada und die individuelle Motivüberprüfung für den
Aufenthalt wichtig ist, ist einen Ausdruck des Annahmebescheids der Gastuniversität
mitzubringen. Dieser ist im Normalfall deutlich vor Anreise vom International Office der
Gastuniversität per Email übersandt worden und dient der Grenzpolizei als Nachweis des
Studienvorhabens für begrenzte Zeit. Solange der Studienzeitraum an einer kanadischen
Universität die Dauer von sechs Monaten nicht überschreitet, sind deutsche Staatsbürger,
die zwecks Studiums einreisen von der Visumspflicht befreit. Nähere Informationen hierzu
stellt die kanadische Grenzbehörde unter folgendem Link zur Verfügung:
http://www.cic.gc.ca/english/helpcentre/answer.asp?q=416&t=16/ [http://www.cic.gc.ca/english/helpcentre/answer.asp?q=416&t=16]
Was ich ausserdem noch mitgenommen habe, waren Rechnunskopien meiner
elektronischem Wertsachen, um ggf. bei Wiedereinreise in die EU nachweisen zu können,
dass die Geräte nicht in Kanada gekauft wurden. So habe ich mich dagegen absichern
wollen, im Zweifelsfalle noch Steuern für die Einführung zahlen zu müssen - darauf
angekommen ist es letztlich nicht.
Für Notfälle lohnt es sich wohl auch, den Impfpass und einen ggf. vorhandenen Allergiepass
mitzunehmen. Eine separat in Deutschland abgeschlossene Auslandskrankenversicherung
war in meinem Falle nicht nötig, da die grundlegende studentische Krankenversicherung
über die Gastuniversität auch für Austauschstudierende verpflichtend war - per Western
Union hat die Überweisung des Betrages (auch hier wieder zu beachten: der Stichtag) an
den von der University of Ottawa beauftragten Versicherungsdienstleister SunLife Financial
problemlos geklappt. Zu Mitte September steht der Download des so erstandenen
Grundversorgungsausweises dann auf der SunLife Financial Webseite bereit - den Ausdruck
dieses Ausweises sollte man stets bei sich tragen und muss diesen unbedingt zu
Arztterminen mitbringen. Noch wichtig zu wissen ist, dass diese Grundversorgung, die für
das Herbstsemester ungefähr 270$ gekostet hat, wirklich nur grundlegenden Leistungen
abdeckt - die Kosten von Zahnarztbesuchen werden beispielsweise nicht übernommen.
Hierfür könnte eine in Deutschland abgeschlossene Zusatzversicherung hilfreich sein. Ich
hatte keine zusätlichen Versicherungen abgeschlossen und bin glücklicherweise auch nicht
in die Situation gekommen eine zu brauchen.
In Kanada, wie in den meisten angelsächsischen Ländern besteht keine Meldepflicht. Ausser
der Gastuniversität war so die Bank, bei der ich für meinen Aufenthalt ein kostenloses
Studentenkonto eröffnet hatte, die einzige andere Stelle, bei der ich meine kanadische
Adresse hinterlegt hatte. Die Banken mit den meisten Geldautomaten in Ontario sind Royal
Bank of Canada (RBC), Scotiabank und HSBC. Mit meinem Konto bei der RBC bin ich gut
gefahren, doch gilt es hier, wie auch bei deutschen Studentenkontos zu beachten, dass die
kostenfreie Kontoführung mit dem Studentenstatus verbunden ist. Ds Konto sollte also vor
Rückkehr nach Deutschland wieder gekündigt werden, denn wenn die Gültigkeit des bei der
Bank hinterlegten Studentenausweises in wenigen Jahren ausläuft könnten sonst
Forderungen wg. Kontoführungsgebühren entstehen. Die Erreichbarkeit des Schuldners ist
dann zwar eine andere Frage, aber darauf muss man es ja nicht ankommen lassen.
3. Allgemeine Informationen zur Partnerhochschule
Die University of Ottawa ist die größte bilinguale Universität der Welt, und obwohl sie in der
hauptsächlich englischsprachigen Provinz Ontario liegt, ist die erste Kontktsprache der
gesamten universitären Administration Französisch: Anrufbeantworter beginnen mit der
französischsprachigen Nachricht und weisen auf die nachfolgende englischsprachige hin, alle
Werbepublikationen und Informationsdokumente der Verwaltung sind sowohl in Englisch
als auch in Französisch erhältlich, es gibt fast mehr französischsprachige clubs und societies
als englischsprachige und in jedem Laden, sowie den zahlreichen Cafés auf dem Campus
wird man stets mit dem Doppelgruß "Bonjour - Hi" begrüsst.
Der Campus befindet sich sehr zentral in der Stadtmitte Ottawas. Zum Parlament sind es
knapp 15 Minuten zu Fuß, zur lebhaften Elgin Street und dem Byward Market mit seinen
Marktständen und den besten Pubs läuft man knapp 10 Minuten und am zentralen
Einkaufszentrum, dem Rideau Center ist man in weniger als 5 Minuten. Lebt man im
zentralen Studentenviertel Sandy Hill ist die Uni fußläufig zu erreichen. Doch da die Mieten
dort teuer und wenige Vermieter geneigt sind für weniger als 8 Monate zu vermieten, bietet
sich dieses Viertel nicht für jeden an. Von Vanier aus, einem etwas verrufenen Viertel am
Stadtrand, in dem ich gewohnt habe, dauert die Busfahrt ins Zentum zwischen 20 und 30
Minuten, je nach Verkehrslage. Hierzu mehr unter "Öffentliche Verkehrsmittel".
Die Mensa auf dem Universitätsgelände heißt bei den Studenten schlicht the caf und bietet
zu überteuerten Preisen eine gute Auswahl an internationalen Gerichten an. Jeden Tag kann
man zwischen asiatischer Küche, Pizza, Suppen, Salat, Nudeln, Panini und Burgern wählen.
Die pork and leek dumplings kann ich besonders empfehlen. Bezahlt wird mit der UOttawa
Card, dem Studierendenausweis, den man entweder online oder an Automaten in der
Bibliothek aufladen kann. Als günstigere Alternativen zum Essen in der Mensa bieten sich
mehrere Coffeeshops auf dem Campus an (Tim Hortons, Second Cup und Starbucks), die fast
immer auch etwas Herzhaftes anbieten, das Restaurant Nostalgica, wo es für kleines Geld
allerlei herzhafte Leckereien aus aller Welt und herrlichen Kuchen gibt, sowie einen
Pommes- und einen Hotdog-Stand im Freien. Wiederum sehr teuer aber von bester Qualität
sind die Backwaren und frischen Snacks beim französischen Bäcker im Erdgeschoss der
Faculty of Social Sciences. Möchte man lieber für sich selbst sorgen und bringt gerne
vorbereitete Sachen mit in die Uni, stehen in der cafeteria drei Mikrowellen bereit, in denen
man sich kostenlos seine Mahlzeit von zuhause warm machen kann. Einen Überblick über
die Optionen auf dem Campus gibt es unter:
http://foodservices.uottawa.ca/places-to-eat [http://foodservices.uottawa.ca/places-to-eat]
Auch für die Bibliothek ist die UOttawa Card gültig und funktioniert hier als Leihausweis und
Bezahlkarte für Scans, Kopien und Drucke. Um die Computer mit Internetzugang in der
Bibliothek nutzen zu können, braucht man allerdings ein spezielles Passwort: am besten
geht man mit der UOttawa Card zum IT Service Desk im Erdgeschoss der Bibliothek und lässt
sich dort ein neues Passwort ausstellen.
Auf dem Campus gibt es ein großes und ein etwas kleineres Fitnessstudio sowie ein
Schwimmbad, welche alle kostenfrei genutzt werden können. Das restliche Angebot an
Sportkursen ist umfangreich und umfasst jede erdenkliche Sportart, von Wasser-Rugby bis
hin zu Wanderausflügen in den hohen Norden. Die Preise der jeweils für sechs Wochen
angesetzten Kurse schienen mir jedoch vergleichbar mit jenen kommerzieller Anbieter, bei
74$ für einen Spinning-Kurs. Einige wenige kostenlose Kursangebote gibt es jedoch, doch
muss man explizit nach diesen fragen und die meisten Plätze sind sehr schnell belegt
(beispielsweise bestimmte Yoga-Kurse werden kostenlos angeboten).
In der ersten Vorlesungswoche säumen zahlreiche Stände der verschiedensten
Studentenclubs, fraternities und Interessengruppen die Wege über den Campus. Zu finden
ist dort für jede Interessenlage etwas - und selbst wenn es nur die kostenlosen Waffeln und
Pancakes sind, mit denen die Betreuer der Stände versuchen Publikum anzulocken! Ich habe
mich für den Univerity of Ottawa Outdoor Club angemeldet und habe einige nette Pub-
Abende und Tages-, bzw. Wochenendausflüge mit den Jungs und Mädels erlebt. Wie immer
und überall gilt allerdings auch hier, selbst Anschluss zu suchen, sich zu bemühen und aktiv
zu werden; wer schüchtern darauf wartet, integriert zu werden, hat oft schlechte Chancen.
Selbes gilt für die Seminare und Vorlesungen, in denen man sich im offenen Kanada ruhig
trauen darf Sitznachbarn anzusprechen und sie im Zweifel im Anschluss noch auf einen
Kaffee oder ein Bierchen einzuladen. Dabei zuzugeben dass man Austauschstudent ist und
noch eher wenige Leute kennt ist dabei gar nicht zwingend kontraproduktiv - die Kanadier
sind wirklich sehr freundlich und freuen sich höchstwahrscheinlich, jemandem beim Start im
fremden Land etwas zu unterstützen.
Darüber hinaus bietet sich vor allem am Orientierungstag (leider gibt es nur für Erstsemester
eine Orientierungswoche mit Spiel und Spaß, nicht für Austauschstudierende) erste
Kontakte mit anderen internationalen Studis zu knüpfen. Vielleicht verabredet man sich für
eine der kostenlosen Filmabende, die im Spätsommer noch draussen vor der Tabaret Hall
mitr großer Leinwand stattfinden, oder bucht gemeinsam Plätze in einem der Sportkurse.
Auch die Angebote des Interntional Office, die in regelmässigen Abständen Ausflüge und
Aktivitäten für Austauschstudis anbieten sind ein gutes Forum um sich wiederzutreffen oder
auch jedes Mal wieder neue Leute kennenzulernen. Ich erinnere mich gerne an eine
Stadtrundfahrt ganz am Anfang des Semesters, einen Kletterausflug, den Besuch einer
Wildtierauffangstation, bei dem man sogar mit Waschbären umhertollen konnte und einen
wohlverdienten Spabesuch im Dezember. Das Wochenende mit Schlittenhunderlebniss und
Schneemobilfahren habe ich leider nicht mehr erleben können - dies findet immer im Januar
statt. Die Anmeldung für solche Aktivitäten muss stets persönlich im IO in der Tabaret Hall
erledigt werden, die Kosten sind gleich bei der Anmeldung in bar zu begleichen. Anstehende
Trips und Aktionen werden immer auf der Seite des IO der University of Ottawa auf
Facebook bekannt gegeben (
https://www.facebook.com/groups/uointl/ [https://www.facebook.com/groups/uointl/]
).
4. Akademisches Leben
Am Vortag des ersten Vorlesungstages organsiert das IO besagte Einführungsveranstaltung,
die einen innerhalb von vier Stunden für die kommenden Monate fit machen soll. Abgedeckt
wird alles von den Dienstleistungen, die die Universität ihren Studierenden bietet (zB das
Academic Writing Help Center), den Sport- und Freizeitangeboten auf dem Campus, den
Angeboten des IO selbst, den psychologischen Phasen, die man als Austauschstudent
durchlebt, bis hin zu Tipps, wie man am besten die beißende Kälte im Winter aushält. Zu den
akademischen Anforderungen oder zur Verwaltung wird wenig gesagt - hier sind die
academic advisors der jeweiligen Fakultäten allerdings sehr hilfreich. Eine verlässliche
Ansprechpartnerin für den sozialwissenschaftlichen Bereich habe ich in Anne Lauzon
gefunden (http://socialsciences.uottawa.ca/undergraduate/need-help). Die Immatrikulation
sollte zum Zeitpunkt des Semesterbeginns schon vorgenommen worden sein, doch bietet
der Einführungstag sich an, um sich eine UOttawa Card ausstellen zu lassen.
Erfahrungsgemäß sind die Schlangen dafür zwar lang, doch wenn man einmal an der Reihe
ist, bekommt man die Plastikkarte mit Foto gleich ausgehändigt.
In der Kurswahl ist man einzig von den Kursvoraussetzungen eingeschränkt, die klar
angeben, mit welchen Inhalten man sich schon in vorherigen Semestern auseinandergesetzt
haben muss, um zugelassen zu werden. Dieser Überprüfung dient das Notentranskript, das
zusammen mit der Bewerbung eingereicht wurde. Kann eine Voraussetzung nicht erfüllt
werden, werden meines Wissens nach keine Ausnahmen gemacht und man muss einen
andere Kurs wählen. Hinzu kommt, dass wie auch an den meisten deutschen Universitäten
üblich, die Vergabe der Seminarplätze auf einer first come first serve -Basis vergeben
werden. Obwohl die normale Anzahl an Kursen, die von Vollzeitstudenten belegt werden
eigentlich fünf ist, rate ich dazu, nicht mehr als vier Kurse zu belegen. Der Arbeitsaufwand
für jeden einzelnen Kurs ist sehr viel höher, als man das durchschnittlich von deutschen
Unikursen gewohnt sein mag. Die Belegung von vier Kursen ist gleichzeitig das
Mindestkriterium, um nicht als Teilzeitstudent registriert zu werden - der Teilzeitstatus wäre
wiederum mit Problemen bei der Anerkennung der im Ausland erbrachten
Studienleistungen an der Heimatuni verbunden. Außerdem erlaubt die Belegung von vier
Kursen bei gutem Zeitmanagement auch gerade noch so, auch im Semester den ein oder
anderen Wochenendausflug einzuschieben, ein Aspekt, den man um während des
Auslandssemesters ein wenig das Land kennenzulernen sicher auch berücksichtigen sollte.
Der Arbeitsaufwand ist natürlich hauptsächlich durch die gewählte Studienrichtung bedingt,
doch auch das Niveau der Kurse, 1st, 2nd, 3rd, oder 4th year, hat einen Einfluss auf die Art
und die Menge der zu bewältigen Studien- und Prüfungsleistungen. Während in Deutschland
oftmals 100% der Kursnote von einer Klausurleistung oder einer Hausarbeit abhängen,
verteilen sich die Notenprozente an der University of Ottawa regelmäßig auf mindestens
drei Leistungen. Gewöhnlich gilt für jeden (sozialwissenschaftlichen) Kurs die Faustregel:
zwei dreistündige Klausuren (ein mid-term exam und ein final exam) und eine Hausarbeit
von acht bis zwölf Seiten. Manche Kurse weichen von dieser Norm allerdings auch ab, so
galt es in meinem Französischkurs zum Beispiel zwei Referate zu halten, für jede Woche
Hausaufgaben vorzubereiten, einen kurzen Film zu produzieren und zwei Klausuren zu
schreiben.
So gut wie alle Kurse werden sowohl auf Französisch als auch auf Englisch angeboten. Die
Besonderheit an der Univeristät in Ottawa ist, dass Studien- und Prüfungsleistungen
unabhängig von der Kurssprache in Englisch oder Französisch eingereicht werden können.
Wer also clever seine Französischkenntnisse aufbessern will, kann einen Kurs in dieser
Sprache belegen und sich bei der Ableistung der Studien- und Pruefungsleistungen trotzdem
in englischer Sprache absichern.
Qualitativ muss man bei der Lehre an der University of Ottawa zwischen inhaltlichem
Lehrniveau und der Qualität der Betreuung durch die Lehrenden unterscheiden. Verglichen
mit den Standards an deutschen Universitäten ist das Anforderungsniveau ein wenig
niedriger, was man allerdings durch die Auswahl von Kursen der Jahresstufen etwas steuern
kann; die 4th year Kurse sind durchaus sehr anspruchsvoll und fordern Engagement und
wirkliche Begeisterung für das Kursthema. Das Betreuungsverhältnis ist hingegen exzellent;
Seminare mit nur zehn Studenten und Vorlesungen mit nur 50 anderen Mithörern sind die
Norm. Midterm exams werden häufig in Form von Multiple-Choice-Fragen abgehandelt,
während final exams regelmäßig auch Aufsatzfragen enthalten. Glänzen kann man in den
Hausarbeiten, bei denen - meiner Einschätzung nach - kanadische Bachelorstudenten sich
eher weniger um wirklich wissenschaftliche Analysearbeit bemühen, sondern regelmäßig
eher Situationsschilderungen und Zusammenfassungen abliefern.
Außerhalb des regulären Vorlesungsbetriebs bietet die Universität fast jede Woche public
lectures an, bei denen hochkarätige Referenten aus Wirtschaft und Politik Vorträge zu
aktuellen Themen halten. Auch hier ist der Eintritt frei und manches Mal bietet sich sogar
noch die Gelegenheit für ein kurzes Gespräch mit den Referenten. Den
Veranstaltungskalender der Uni erreicht man unter:
http://www.uocal.uottawa.ca/en [http://www.uocal.uottawa.ca/en]
.
Zur Anerkennung der an der University of Ottawa belegten Kurse gilt, dass für den General
Studies Bereich an der Heimatuni fast alle Kurse anerkannt werden können, während die
Anerkennung für reguläre Studienmodule besser vorher mit den Anerkennungsbeauftragten
der jeweiligen Studiengänge zuhause abgeklärt wird. Generell werden für sehr
arbeitsaufwändige Kurse im Ausland meist nur 3 Credit Points vergeben, die im
Anerkennungsprozess an der Heimatinstitution dann aber regelmässig mit 6 CP anerkannt
werden. Braucht man mehr Credit Points und ist der Arbeitsaufwand der Kurse
entsprechend hoch bzw. höher gewesen, lässt sich auch dies meist mit den
Anerkennungsbeauftragten klären.
5. Unterkunft
Da ich mich bewusst gegen die Studentenheime auf dem Campus entschieden hatte, da
diese hauptsächlich von Erstsemestern bewohnt werden, kann ich zum Wohnheimangebot
der Universität leider nichts sagen. In Bezug auf meine Unterkunft, die ich online über das
housing board der University of Ottawa gefunden hatte
(https://web5.uottawa.ca/rezweb/search.php [https://web5.uottawa.ca/rezweb/search.php]
), bin ich im großen und ganzen recht
zufrieden gewesen. Gerne hätte ich näher an der Uni gewohnt, doch die Kombination aus
begrenztem finanziellen Spielraum und einer Anmietzeit von nur vier Monaten, gestaltete
die Suche schwierig. Die Haken, dass bei meiner Ankunft die Miete letzten Endes 100$
teurer war als angegeben und ich als, nunja, Katzenskeptiker mit zwei Langhaarkatzen
zusammenwohnen musste, wurden vom Garten und der sicheren Nachbarschaft wieder
wett gemacht. Die Strasse in der ich gewohnt habe ist die Borthwick Avenue, am äußersten
Rand von Vanier. Der Lage ist höchstwahrscheinlich die Sicherheit und die Gepflegtheit der
Nachbarschaft zu verdanken - von Unterkünften direkt in Vanier kann ich nur abraten. Das
Viertel ist fü Drogenkriminalität berüchtigt und sich ohne Auto zu bewegen, oder nachts an
Bushaltestellen zu warten ist alles andere als sicher.
Für ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft kann man zwischen 550$ und 650$ pro Monat
einrechnen, bei denen Internetnutzung, Heizungs- und Warmwassergebühren bereits
inklusive sind. Über die Raumtemperatur im November und Dezember sind meine
Vermieterin und ich leider öfters aneinandergeraten: 19 Grad Celsius
Durchschnittstemperatur im Haus bei -25 Grad Celsius draussen war mir einfach zu kalt. Es
scheint aber in Kanada (wie meiner Erfahrung nach auch in England) relativ normal zu sein,
auch im Winter die Innentemperatur nicht auf mehr als 18 oder 19 Grad Celsius zu erhöhen.
Da gilt es dann entweder, sich zu fügen, oder, wie wir letztlich, einen Kompromiss
auszuhandeln.
Zu spät habe ich leider von den housing tours gehört, die ein kleines privates Unternehmen
anbietet. Über die Facebook-Gruppe der Internationalen Studenten an der Uni in Ottawa
(Link s.o.) werden die Tourzeiten zu Semesteranfang bekannt gegeben, für die man sich
dann anmelden kann. In Gruppen von ca. 10-15 Personen wird man durch alle frei
gewordenen Studentenwohnungen bzw. -zimmer geführt und kann gleich auf der Stelle den
Mietvertrag unterschreiben, wenn ein Mietangebot passend ist. Der Tourguide wird von den
Vermietern bezahlt. Australische Freunde von mir haben diesen Service wahrgenommen
und sind damit sehr gut gefahren - zu dritt haben sie eine gemütliche möblierte Wohnung
direkt an der Uni bekommen.
6. Öffentliche Verkehrsmittel:
Die gesamte Innenstadt Ottawas ist von einem Transitway umkreist, der parallel zum
Highway führt und auf dem ausschliesslich städtische Busse sowie Einsatzfahrzeuge von
Polizei und Feuerwehr fahren dürfen. So bedingt gibt es dort nie Stau und die Rush Hour in
der Stadtmtte lässt sich gut umgehen, wenn man bereit ist, eine der Linien zu nehmen, die
den Transitway nutzen. Das kann bedeuten, dass man einmal umsteigen muss, spart
allerdings letztlich wertvolle Zeit im morgendlichen und nachmitäglichen Staus. Besonders
da die kanadischen Lehrbeauftragten sehr viel expliziter Wert auf Pünktlichkeit legen, als
man dies von der Heimatinstitution gewohnt sein mag.
Als Austauschstudent von nur einem Semester wird man für das Semesterticket-Programm
der University of Ottawa jedoch leider nicht berücksichtigt - den hohen Kosten für ein
Monatsticket (105$) kann nur entgehen, wer zentral genug wohnt. Fahrradfahren ist in
Ottawa keine wirkliche Alternative, da - entgegen den Angaben der Stadtverwaltung - die
Radwege schlecht in Schuss sind, der Winter einem für mindestens zwei Monate einen
Strich durch die Rechnung macht und das Gefahrenpotential zusätzlich dadurch erhöht wird,
dass die nordmerikanischen Autofahrer generell wenig an Radler gewöhnt sind und
entsprechend wenig Rücksicht nehmen.
7. Fazit
Kanada ist das Land gewesen, das ich am sehnsüchtigsten bereisen wollte; um die
atemberaubenden Landschaften zu sehen, zeitweise Teil dieser Gesellschaft zu werden, die
ein Mosaik der Weltbevölkerung ist, das Aufeinandertreffen und Verschmelzen
französischer und angloamerikanischer Mehrheitskulturen zu erleben, und kennenzulernen,
wie Kommilitonen in Nordamerika an das Studium der Politikwissenschaft herangehen. Die
vier Monate, die ich dank der Unterstützung durch das BIKQs und aufgrund des finanziellen
Puffers durch PROMOS in der kanadischen Hauptstadt an der University of Ottawa
verbringen konnte, haben mir all dies ermöglicht - und mehr. Ich habe erlebt, wie das
Ergreifen von Initiative sich wirklich auszahlen kann: Im akademischen Rahmen habe ich
mich nicht vom ungewohnten Arbeitsumfang meiner Kurse abschrecken lassen, sondern sie
als Motivations- und Sprachtraining für mein angestrebtes Masterstudium in London
angesehen und habe sie so meistern können. Im Bezug auf meine Kommilitonen habe ich
ein Miteinander erleben dürfen, das an deutschen Universitäten abhanden gekommen zu
sein scheint. Das gegenseitige Unterstützen und Ermutigen, der gleichwertige Beitrag aller
Gruppenmitglieder in Gruppenarbeiten und die Verbindungen über den Kursrahmen hinaus
haben mir gezeigt, wie Uni weniger anonym sein kann - eine Entwicklung, die ich auch für
deutsche Unis wünschenswert finde. Grund für diesen signifikanten Unterschied ist
sicherlich nicht zuletzt die Campuskultur, welche in Deutschland häufig vernachlässigt zu
werden scheint. Das soziale Leben spielt sich in Kanada größenteils in Studentenverbänden
in Clubs statt, was ich als Mitglied des University of Ottawa Outdoor Clubs sehr genossen
habe. Das Wanderwochnende mit dem Club in die Adirondacks in Upstate New York war
eines der absoluten Highlights meines Auslandsaufenthaltes.
Mit Blick auf die Zukunft war es der Kurs bei Prof. Paul Haslam zu Geschichte und Theorien
der Entwicklungspolitik, der mir gezeigt hat, welche thematischen Felder mich in diesem
Bereich besonders interessieren: Mein durch ihn gewecktes Interesse an Dynamiken, die
durch Geldsendungen von Migranten aus Entwicklungsländern in ihren Heimatstaaten
ausgelöst werden können, hat mich dazu motiviert, ein Masterstudium in der
Migrationsforschung anzustreben. Darüberhinaus hat mein Selbstbewustsein stark davon
profitieren können, dass ich fernab von Freunden und Familie nicht nur im Studium Erfolge
geniessen konnte, sondern auch in der Lage war, neue Kontakte zu knüpfen, ein soziales
Umfeld einmal mehr von Grund neu aufzubauen und sogar einige wirkliche Freundschaften
zu schliessen, die, so hoffe ich, die große Entfernung überwinden können.
Jedem, der mit dem Gedanken spielt, sich für ein Semester oder gar ein Jahr an einer
kanadischen Universität einzuschreiben, kann ich dies uneingeschränkt empfehlen.
Während man sich als deutscher Student ganz nebenbei einen Arbeitsethos zulegt, von dem
die Studien an der Heimatuniversität in jedem Falle profitieren werden, erlebt man eine
Gesellschaft, die einen mit offenen Armen empfängt, die einem, zumindest in Ottawa, die
Möglichkeit gibt sowohl sein Englisch zu perfektionieren, als auch sein Französisch zu
entstauben und einem erlaubt sich neu zu erfinden. Good luck on your way!